L'animoteur 2

Performance


Auslöser für diese Performance war die Entwicklung der Bildarbeit «L’animoteur 1». Bildarbeit und Performance stehen für keinen Vergleich zwischen menschlichem und animalischem Wesen: Die Linie zwischen «vie humaine et vie animale» sollte nicht ausserhalb von uns und das Tier nicht menschenähnlich gedacht werden; die Linie geht mitten durch uns hindurch. Meyer-Abich schreibt, Tiere seien, die Evolutionstheorie lehre es, Verwandte und Verwandte seien Andere wie wir.*1 Alle, wir und Andere wie wir, sind der Technologisierung unterworfen, sie rüttelt immerfort an den Grundfestungen unserer Annahmen und Weltbilder, greift ins unsere Leben ein und hält uns auf Trab.

Der Titel der Ausstellung CENTER PARTING als auch das Loch durch die Mittelachse der Bildarbeit «L’animoteur 1» könnte für die Linie, zwischen Mensch und Tier stehen, die mitten durch uns hindurch geht. 

Die Bildarbeit «L'animoteur 1» stand am Anfang der Vernissage/Performance an die Wand gelehnt. Zu sehen waren die weisse Fläche seiner Rückseite mit einer quadratischen Platte in der Mitte und einer identisch grossen auf Augenhöhe an der Wand angebracht – die Befestigungsmechanik des Bildes war sichtbar. Ich hatte mir vorgenommen mit Gesten, einem Subtext und einem Lied «in petto» das Vernissage-Ambiente zu verändern und einen streng abgesteckten Rahmen zu schaffen. Der Subtext war aufgeteilt in 11 Akte, mit Daten zur Evolution und zu Eigenschaften von Huf-, Wild-, Haustier und Menschentier:

1    Chromosomenpaare 
2    Domestikation und Hominisation
3    Lebenswartung
4    Fünf Lendenwirbel 
5    Wüstentier und geräteadaptierte Nutzer
6    Wasser und Nahrung
7    Kein Fluchtinstinkt und uralte Fluchtinstinkte
8    Kein Herdentier und Herdentrieb
9    Grosse Ohren und kleinere Ohren
10  Keinen Schmerzlaut und Schmerzlaut haben
11  Ist ein Schimpfwort und ist kein Schimpfwort

Der Text dieser 11 Akte stellte inmitten von Zuschauer*innen und Ausstellungsobjekten die Identität von Tier- und Menschenkörper in Frage. Die 11 Akte sollten in zufälliger Reihenfolge vorgetragen werden; nicht alle mussten aufgeführt werden. Ich hatte ein Kapuzen-Shirt über den Kopf gezogen. Arm- und Handgesten leiteten mich in den Raum und führten in bestimmte und ungefähre Richtungen, bis ich wo auf ein Hindernis stiess. Der Text wurde teils mit aufgesetzter und monotoner Stimme hervorgebracht, das Timbre konnte zuweilen auch weich und beiläufig sein. Da diese ‚Zutaten’ vor Ort zusammengebracht wurden, Bewegungsgesten und Text/Vortrag aus Ärmeln und Hosenbeinen und von anderswo hervorklaubt werden musste, entstand keine geschliffene Performance. Die gegenseitige Beeinträchtigung und Störung von Bewegung und Subtext auszuhalten, Kunstwerke und Zuschauer*innen zu umschiffen und das Geschehen gleichzeitig ‚laufen’ zu lassen, verlangten Anstrengung und Konzentration. Ich hatte mich gut vorbereitet und wusste welches Material mir zur Verfügung stehen würde: den Text hatte ich verinnerlicht, fast auswendig gelernt und mir ein Vokabular mit Miniaturgesten aus Armen und Händen, die in raumgreifenden Bewegungen führen konnten, vorgängig erarbeitet. Wie sich alle Teile zusammenfügten, darüber hatte ich nur begrenzt Kontrolle; das Geschehen war stark gefärbt von der Präsenz und Position des Vernissagen-Publikums. Mehrere Male stimmte ich das Lied «You are so beautiful to me»*2 an. Ich hatte es gewählt, weil es wenige Liedstrophen hat und so mehrmals wiederholt werden kann. Zwei Zuschauer*innen wurden damit angesungen und verführt, mir zu helfen das Bild an die Wand zu montieren: Mit meiner Singstimme brachte ich sie dazu, das Bild mit dem Loch genau über das Loch der befestigten Platte an der Wand zu navigieren. Immer noch das Lied anstimmend, drehte ich die Schraube fest. Als das Bild an der Wand hing, versetzte ich es in Rotation.

Von nun an konnten die Besucher*innen während der ganzen Ausstellungsdauer das Bild selber in Rotation versetzen. 

*1 Cord Riechelmann: Verwandte. Und Andere. Wie wir, taz.de
*2 Version von Joe Cocker

Textskript